Aufhebungsverträge ohne Sperrzeit

Aufhebungsverträge ohne Sperrzeit

Aufhebungsverträge ohne Sperrzeit

I. Ausgangslage

Am 25.01.2017 hat die Bundesagentur für Arbeit Änderungen ihrer Geschäftsanweisung im Hinblick auf den Umgang mit Sperrzeiten gem. § 159 SGB III, welche auch bei dem Abschluss von Aufhebungsverträgen auf den Arbeitnehmer zukommen können, bekannt gegeben.

Viele Arbeitnehmer sind erfahrungsgemäß zurückhaltend, einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen, da sie befürchten müssen, aufgrund ihrer Mitwirkung an der Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses für eine bestimmte Dauer kein Arbeitslosengeld I zu erhalten, landläufig auch als „Sperre beim Arbeitslosengeld“ bekannt. Die Dauer der Sperrzeit beträgt bei aktiver Arbeitsaufgabe durch den Arbeitnehmer grundsätzlich 12 Wochen, kann sich jedoch verkürzen, sofern das Arbeitsverhältnis ohnehin innerhalb eines kurzfristigen Zeitraums nach dem die Sperrzeit begründenden Ereignis beendet worden wäre.

Eine Sperrzeit droht immer, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat. Wesentlich ist jedoch, dass der Arbeitslose keinen „wichtigen Grund“ für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte.

II. Wichtiger Grund

Was unter einem „wichtigen Grund“ für eine einvernehmliche Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zu verstehen ist, ist nicht gesetzlich geregelt. Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein wichtiger Grund vor, wenn dem Arbeitslosen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzellfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden konnte. Es muss sich also um Umstände handeln, die grundsätzlich entweder der beruflichen oder persönlichen Spähre der Arbeitnehmer entspringen müssen.

III. Bisherige Regelung bis zum 24.01.2017

Bisher wurde für das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ vorausgesetzt, dass eine ernsthaft in Aussicht gestellte Kündigung des Arbeitgebers aus betriebsbedingten Gründen droht (z.B. wegen Umstrukturierungen und daraus resultierendem Wegfall des Arbeitsplatzes). Voraussetzung für einen Aufhebungsvertrag ohne Sperrzeit war, dass dem Arbeitnehmer

• zuvor eine betriebsbedingte Kündigung in Aussicht gestellt wurde,
• das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers durch den Aufhebungsvertrag nicht vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist beendet wurde,
• der Arbeitnehmer nicht unkündbar ist und
• sich die in Aussicht gestellte Kündigung als sozial gerechtfertigt erweist.

Letzteres wurde immer dann unterstellt, wenn der Arbeitnehmer eine Abfindung erhalten hat, die mindestens 0,25 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr und maximal 0,5 Bruttomonatsgehälter beträgt.
Eine Kündigung aus personenbedingten Gründen stellte bislang grundsätzlich keinen wichtigen Grund dar.

IV. Neue Regelung ab 25.01.2017

Die geänderte Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit gestattet das Absehen von einer Sperrzeitverhängung aus wichtigem Grund nun auch bei einer avisierten personenbedingten Kündigung des Arbeitgebers (Bsp: Häufige Kurzzeiterkrankungen). Die Arbeitsagentur prüft zudem nur noch die Rechtmäßigkeit einer hypothetischen Kündigung des Arbeitgebers, sofern eine höhere Abfindung als 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr gezahlt werden. Die o.g. Mindestgrenze von 0,25 Bruttomonatsgehältern entfällt.

Nach der Neuregelung soll keine Sperrzeit verhängt werden, wenn

• dem Arbeitnehmer eine Kündigung durch den Arbeitgeber mit Bestimmtheit drohte,
• diese Arbeitgeberkündigung auf betriebliche- oder personenbedingte Gründe gestützt wurde,
• die Kündigungsfrist einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber eingehalten wurde,
• der Arbeitnehmer nicht unkündbar war und
• eine Abfindung von bis zu 0,5 Brutto-Monatsgehältern für jedes Jahr des Arbeitsverhältnisses an den Arbeitnehmer gezahlt wird.

Damit reduziert sich das Risiko einer Sperrfristverhängung zugunsten des nicht anwaltlich vertretenen Arbeitnehmers. Liegen die vorstehenden Voraussetzungen nicht vor, kommt es auf die soziale Rechtfertigung der fiktiven Kündigung an. Umgehungen, wie z.B. das Vereinbaren einer „einvernehmlichen“ arbeitgeberseitigen Kündigung führen nach wie vor zu einer Sperrzeit, da es sich um eine Mitwirkungshandlung des Arbeitnehmers handelt.

Wird die Abfindungshöhe von 0,5 Brutto-Monatsgehältern überschritten, kann der Abschluss eines Aufhebungsvertrages im Rahmen eines gerichtlich protokollierten und durch Beschluss festgestellten Vergleichs empfehlenswert sein. Ein gerichtlicher Vergleich hat nach der Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit nicht die Verhängung der Sperrzeit zur Folge. Die Beendigung aus verhaltensbedingten Gründen hingegen löst immer eine Sperrzeit aus.

V. Kommentar

Diese Neuregelung ist zu begrüßen. Dadurch erhalten Arbeitgeber und Arbeitnehmer mehr Gestaltungsspielräume beim Abschluss von Aufhebungsverträgen. Grundsätzlich hat sich jeder Arbeitnehmer selbst vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages über die potentiell hiermit verbundenen Risiken zu informieren – davon wird auch bei Versorgungsleistungen keine Ausnahme gemacht. Den Arbeitgeber treffen aber auch nach der Neuregelung in jedem Fall die aus seiner Fürsorgepflicht resultierenden Hinweispflichten.

Dr. Alexander Pfohl, LL.M.
Leiter Internationales Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen
Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt), Fachanwalt für Arbeitsrecht
CLAAS KGaA mbH

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