Berechnung des Arbeitslosengelds bei unwiderruflicher Freistellung von Arbeitnehmern

Berechnung des Arbeitslosengelds bei unwiderruflicher Freistellung von Arbeitnehmern

Berechnung des Arbeitslosengelds bei unwiderruflicher Freistellung von Arbeitnehmern

I. Einleitung

Aus einer neuen Verwaltungspraxis der Bundesagentur für Arbeit zu § 150 Abs. 1 SGB III geht hervor, dass Zeiten unwiderruflicher Freistellung im Zusammenhang mit einer ordentlichen Kündigung bei einer Berechnung des Arbeitslosengeldes nicht einbezogen werden. Die neue Praxis könnte dazu führen, dass Arbeitnehmer Vereinbarungen über eine unwiderrufliche Freistellung zukünftig vermehrt ablehnen, da sie Einbußen bei der Höhe des Arbeitslosengeldes befürchten.

Nach derzeitiger Rechtslage beträgt das Arbeitslosengeld (allgemeiner Leistungssatz) grundsätzlich 60% des pauschalierten Nettoentgelts, welches sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, welches die oder der Arbeitslose im relevanten Bemessungszeitraum erzielt hat.
Der Bemessungszeitraum umfasst dabei die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Bemessungsrahmen, der grundsätzlich ein Jahr umfasst; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 150 Abs. 1 SGB III).

Bei einer unwiderruflichen Freistellung endet das Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne und der Arbeitnehmer wird beschäftigungslos, obwohl das Arbeitsverhältnis rechtlich gesehen noch fortbesteht. Dies ist durch die Auslegung des Beschäftigungsbegriffes durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG v. 24.09.2008 – B 12 KR 22/07 R) für das Beitragsrecht einerseits und das Leistungsrecht andererseits bedingt. Das bedeutet für einen unter Fortzahlung der Vergütung unwiderruflich freigestellten Arbeitnehmer beginnt die Arbeitslosigkeit (im leistungsrechtlichen Sinne) damit bereits mit der Freistellung.

Endete die versicherungspflichtige Beschäftigung am 30. Juni 2016 und erfolgte am 5. Juli 2016 die Arbeitslosenmeldung, so käme es für die Berechnung des Arbeitslosengeldes auf dasjenige Entgelt an, das der betroffene Arbeitnehmer im Zeitraum zwischen dem 1. Juli 2015 und dem 30. Juni 2016 erzielt hat.

II. Kritik

Die neue Verwaltungspraxis ist bisher überwiegend auf Ablehnung gestoßen. Erste Klagen gegen Arbeitslosengeldbescheide, in denen Zeiten einer unwiderruflichen Freistellung ausgeklammert wurden, sollen bereits anhängig sein.

Rechtlich dürfte die Nichtberücksichtigung von Entgeltabrechnungszeiträumen während der Freistellung kaum haltbar sein. Bereits im Jahr 2008 entschied das Bundessozialgericht, dass das Beschäftigungsverhältnis eines Arbeitnehmers aufgrund einer unwiderruflicher Freistellung grundsätzlich nicht endet, sofern der Arbeitgeber das Gehalt während der Freistellung weiterzahlt.

Die bisherige Rechtspraxis aus dem Jahre 2005, zur Vermeidung des Verlusts des Sozialversicherungsschutzes, unwiderrufliche Freistellungen nur noch einseitig auszusprechen oder auf widerrufliche Freistellungen auszuweichen, wurde durch diese Entscheidung des BSG erst überholt. Nun stellt sich die Frage erneut.

III. Praxishinweis:

Diese Verwaltungspraxis dürfte letztlich untragbar sein, da das Beschäftigungsverhältnis eines Arbeitnehmers aufgrund einer unwiderruflichen Freistellung nicht endet, sofern der Arbeitgeber weiter Vergütung leistet.

Arbeitnehmer, die die geänderte Verwaltungspraxis der Bundesagentur für Arbeit zur Kenntnis nehmen, könnten in Zukunft womöglich zurückhaltender sein, einer unwiderruflichen Freistellung in einem Aufhebungsvertrag oder einem Vergleich zuzustimmen. Arbeitgeber sind aber gehalten, Arbeitnehmer vor einer entsprechenden Einigung auf deren Auswirkungen hinzuweisen, wobei in Bezug auf die Einzelheiten der Berechnung ein Verweis an die Bundesagentur für Arbeit ausreichen dürfte.

Zudem bleiben unwiderrufliche Freistellungen grundsätzlich eine gute Wahl für beide Parteien. Insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit, einen etwaigen (Rest-) Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers noch vor der rechtlichen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zu gewähren und somit Abgeltungsansprüche des Mitarbeiters zum Beendigungstermin weitestgehend zu regeln, dürfte eine unwiderrufliche Freistellung letztlich für beide Parteien sinnvoll sein.

Eine Freistellung des Arbeitnehmers ohne dessen Zustimmung ist für den Arbeitgeber auch nur sehr begrenzt möglich. Die Grundlage dafür ist der Arbeitsvertrag, aus welchem sich nicht nur die Pflicht ergibt, eine gewisse Arbeitsleistung zu erbringen, sondern auch ein Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers resultiert. Ebenfalls lässt die Rechtsprechung auch innerhalb der Kündigungsfrist eine einseitige Freistellung nur zu, wenn eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters mit Rücksicht auf überwiegende, schutzwürdige Belange des Arbeitgebers für diesen unzumutbar ist. Ob eine solche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist oder nicht, entscheidet stets der Einzelfall.

Dr. Alexander Pfohl, LL.M.
Leiter Internationales Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen
Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt), Fachanwalt für Arbeitsrecht
CLAAS KGaA mbH

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