Betreuungsunterhalt: Änderung Kindesunterhalt per 1.1.2017

Betreuungsunterhalt: Änderung Kindesunterhalt per 1.1.2017

Die neuen Bestimmungen zum Kindesunterhalt treten am 1. Januar 2017 in Kraft. Zusätzlich zu dieser Regelung erlässt der Bundesrat eine Verordnung, die eine einheitliche Inkassohilfe für Unterhaltsbeiträge sowie zur Sicherung ausstehender Unterhaltszahlungen eine Meldepflicht im Bereich der beruflichen Vorsorge gewährleistet. Weiter erhält das Kind einen eigenen Anspruch auf unentgeltliche Hilfe (Art. 290 nZGB).

1. Geltendes Recht:
Bei einer Scheidung erhält der Elternteil, der das Kind betreut, einen angemessenen Unterhaltsbeitrag, um den eigenen Einkommensverlust auszugleichen (Art. 125 Abs. 2 Ziff. 6 ZGB). Eine solche Unterstützungspflicht fehlt dagegen bei unverheirateten Eltern. Der betreuende Elternteil muss bis jetzt für seinen Unterhalt selbst aufkommen.

2. Ziel der Gesetzesänderung:
Bei der Neuregelung des Unterhaltsrechts steht das Wohl des Kindes im Vordergrund. Die Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern hat neu Vorrang vor den übrigen familienrechtlichen Unterhaltspflichten (Art. 276a Abs. 1 nZGB) und soll eine optimale, zivilstandsunabhängige Betreuung für das Kind garantieren.
Kinder unverheirateter Eltern haben künftig beim Unterhalt dieselben Rechte wie Kinder von Ehepaaren. Die neue Regelung berücksichtigt bei der Bemessung des Unterhaltsbeitrags für das Kind nicht nur wie bisher die direkten Kosten (Barunterhalt), sondern auch die indirekten Kosten, welche aufgrund der persönlichen Betreuung durch einen Elternteil bei diesem entstehen d.h. die durch die Betreuung entstehenden finanziellen Auswirkungen des betreuenden Elternteils (Botschaft, S. 551). Dadurch soll die finanzielle Beeinträchtigung infolge der Kinderbetreuung nicht mehr nur auf dem betreuenden Elternteil liegen, sondern ein Ausgleich der Kosten zwischen beiden Elternteilen ermöglicht werden.

3. Der Kinderunterhalt setzt sich ab 1.1.2017 wie folgt zusammen:
– Barunterhalt: Dieser deckt alle direkten Kosten des Kindes (Botschaft, S. 540), wie beispielsweise Kosten der Drittbetreuung, Nahrung, Auslagen für Hobbies und Ausbildung usw..
Der Barunterhalt entspricht somit dem Grundbedarf des Kindes zuzüglich seines Überschussanteils abzüglich seines eigenen Einkommens wie Erwerbseinkommen, Familienzulagen. Die Eltern sind bis zum ordentlichen Abschluss der Erstausbildung verpflichtet, für den Unterhalt des Kindes aufzukommen.
– Naturalunterhalt: Der Unterhalt wird in Form der Naturalbetreuung erbracht.
– Betreuungsunterhalt (ab 1. Jan. 2017): Die finanzielle Erwerbseinbusse, welche durch die persönliche Betreuung des Kindes beim betreuenden Elternteil entsteht, entspricht dem Betreuungsunterhalt (Botschaft, S. 540). Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt besteht grundsätzlich nur, wenn die Betreuung während der normalen Arbeitszeit erfolgt und folglich die Erwerbstätigkeit eingeschränkt ist und nicht für die Betreuung während der erwerbsfreien Zeit (Wochenende, Abende) (Botschaft, S. 554). Für ältere Jugendliche, die während der normalen Arbeitszeit die Schule oder Lehre besuchen, entfällt folglich ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt.
Der Kinderunterhalt in Form des Betreuungsunterhalts ist faktisch Elternunterhalt.

4. Wie hoch ist der Betreuungsunterhalt?
Der Betreuungsunterhalt muss gewährleisten, dass die Präsenz des betreuenden Elternteils auch wirtschaftlich sichergestellt wird, indem er trotz Betreuung seinen eigenen Lebensunterhalt decken kann (Botschaft, S. 554). Der Betreuungsunterhalt umfasst damit grundsätzlich die Lebenshaltungskosten des betreuenden Elternteils abzüglich seines eigenen Einkommens (Botschaft, S. 554). Bei unverheirateten Eltern kommt ein allfälliger Überschussanteil dazu, welcher bei geschiedenen Eltern über den nachehelichen Unterhalt abgegolten wird. Wie der Unterhalt für die Betreuung genau zu berechnen ist, lässt der Bundesrat allerdings offen. Auch wo die Betreuungskosten betraglich liegen werden, ist aufgrund der fehlenden gesetzlichen Grundlagen heute noch nicht absehbar. Ebenfalls unbeantwortet bleibt die Frage, ob sich der Betreuungsunterhalt bei mehreren Kindern erhöht. Den Gerichten wird dadurch weiterhin der notwendige Ermessensspielraum gewährt, um eine im Einzelfall angemessene Lösung zu treffen (Botschaft, S. 554). Sicher ist, dass auch nach der Revision das Existenzminimum des Unterhalt schuldenden Elternteils gewahrt werden muss (Botschaft, S. 576).
Obwohl der Kinderunterhaltsbeitrag grundsätzlich von der Lebensstellung des pflichtigen Elternteils abhängig ist, können die als Betreuungsunterhalt zu ermittelnden Lebenshaltungskosten insbesondere bei guten bis sehr guten Verhältnissen nicht auf den betreuenden Elternteil übertragen werden, da dem betreuenden Elternteil ansonsten eine Teilhabe an der Lebenshaltung des anderen ermöglicht wird (Botschaft, S. 576). „Ein höherer Lebensstandard aufgrund der Lebensstellung des unterhaltspflichtigen Elternteils kann dagegen Teil des Ehegattenunterhalts (Art. 176 ZGB) oder des nachehelichen Unterhalts sein“ (Botschaft, S. 576). Eine volle Gleichstellung von sich trennenden Ehegatten und unverheirateten Paaren mit gemeinsamen Kindern wird vom Gesetzgeber folglich nicht angestrebt. Im Bereich des Kindesunterhalts wird eine höhere Lebensstellung des unterhaltspflichtigen Elternteils nicht durch den Betreuungsunterhalt abgegolten, die direkten Kosten des Kindes fallen aber entsprechend höher aus (Botschaft, S. 576).

5. Bis zu welchem Alter der Kinder besteht ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt?
Laut Botschaft dauert der Betreuungsunterhalt so lange wie das Kind die persönliche Betreuung im konkreten Fall benötigt (Botschaft, S. 577). In der Praxis wird für Verheiratete bei der Auflösung des gemeinsamen Haushalts oft die sogenannte 10/16-Regel des Bundesgerichts als Richtlinie angewandt, von der im Einzelfall abgewichen werden kann (Botschaft, S. 578). Diese Regel besagt, dass jener Elternteil, der vor der Trennung eines oder mehrere Kinder unter 10 Jahren betreut hat, keiner Erwerbstätigkeit nachgehen muss. Erst wenn das jüngste Kind 10 Jahre alt ist, kann eine Erwerbstätigkeit von 50 Prozent (bei mehreren Kindern eventuell weniger) zugemutet werden und eine volle Erwerbstätigkeit bei 16 Jahren. Mit der Revision wird diese Rechtsprechung wahrscheinlich erneuert (vgl. Botschaft, S. 578).

6. Erhöht sich der Kinderunterhalt auch bei einer Scheidung?
Der Kinderunterhalt erhöht sich auch bei einer Scheidung um den Betreuungsunterhalt. Bis jetzt wurde bei verheirateten Eltern ein Ausgleich für die verhinderte bzw. eingeschränkte Erwerbsmöglichkeit bei der Kinderbetreuung durch einen Elternteil im Rahmen des Ehegattenunterhalts berücksichtigt. Neu ändert sich daher die Berechnungsmethode: ein Teil des nachehelichen Unterhalts wird herausgenommen und neu als Kindesunterhalt betrachtet, womit der nacheheliche Unterhalt reduziert wird.

7. Was kann der unterhaltspflichtige Elternteil tun, um weniger zu bezahlen?
Der unterhaltspflichtige Elternteil – in der Praxis meistens der Vater – muss nach neuem Recht neben den laufenden Lebenshaltungskosten noch zusätzlich den Betreuungsunterhalt entschädigen, wodurch sich der Kinderunterhalt stark erhöhen wird. Der unterhaltspflichtige Elternteil kann die höheren Kosten reduzieren, indem er beim Gericht die Prüfung einer alternierenden Obhut verlangt, bei der beide Eltern für die Betreuung sorgen müssen (Art. 298 Abs. 2ter bzw. Art. 298b Abs. 3ter nZGB). Dabei rechtfertigt nur die Betreuung des Kindes eine Senkung des Betreuungsunterhalts, die während einer Zeit erfolgt, während der dem betreuenden Elternteil andernfalls die Ausübungen einer Erwerbstätigkeit möglich wäre. Die Betreuung des Kindes während der gewöhnlich erwerbsfreien Zeit (Wochenende, Abende) führt dementsprechend grundsätzlich nicht zu einem Anspruch auf Betreuungsunterhalt (Botschaft, S. 554). Die Kosten werden bei der anteilsmässigen Betreuung proportional gekürzt. Eine über das gewöhnliche Besuchs- und Ferienrecht hinausgehende Betreuung betrifft nicht den Betreuungsunterhalt, sondern die direkten Kosten für Nahrung, Auslagen für Freizeit usw..
Die Interessengemeinschaft geschiedener und getrennt lebender Männer (IGM) Schweiz fordert, dass die Kinderbetreuung im Zeitpunkt der Familientrennung grundsätzlich neu geregelt werden soll. Als Ausgangslage soll nicht mehr die 10/16 Regel, sondern eine je hälftige Aufteilung der Betreuung im Wechselmodell dienen.

8. Nachforderungsrecht des Kindes bei ungenügendem Unterhalt
Konnte der beanspruchende Unterhalt des Kindes nicht gedeckt werden, kann nach geltendem Recht das „Manko“ der letzten fünf Jahre eingefordert werden, sofern sich die finanziellen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen verbessert haben (Art. 286a ZGB). Neu muss der Kindesunterhalt separat berechnet werden (Art. 286a nZGB) und der Fehlbetrag muss im Urteil bzw. Unterhaltsvertrag festgehalten werden (Art. 301a Abs. 1 lit. c nZPO). Der Anspruch auf Nachforderung muss innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der ausserordentlichen Verbesserung auf Seiten des Unterhaltsschuldners geltend gemacht werden (Art. 286a nZGB).

9. Neubeurteilung von Unterhaltsbeiträgen, die vor der Revision festgelegt worden sind:
Unterhaltsbeiträge für nicht eheliche Kinder, die vor dem 1. Januar 2017 festgelegt worden sind, können auf Antrag hin dem neuen Recht angepasst werden und somit um den eventuell geschuldeten Betreuungsunterhalt erweitert werden (Art. 13 Satz 1 SchltT nZGB). Kinder- und Ehegattenunterhaltsbeiträge die in einem Trennungs- oder Scheidungsurteil festgelegt wurden, können nur abgeändert werden, wenn sich die Verhältnisse erheblich geändert haben.

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