Bundesgericht bestätigt 10-jährige Verjährungsfrist für Retrozessionen
Der Anspruch des Auftraggebers auf Herausgabe von Retrozessionen, die dem Beauftragten von Dritten zugeflossen sind, unterliegt einer Verjährungsfrist von zehn Jahren. Die Verjährung beginnt für jede einzelne Retrozession an dem Tag zu laufen, an dem sie der Beauftragte erhalten hat.
Mit Urteil vom 16. Juni 2017 hat das Bundesgericht die lange umstrittene Rechtsfrage entschieden, in welchem Zeitraum der Anspruch auf Herausgabe von Retrozessionen verjährt: Die Verjährungsfrist beträgt 10 Jahre und nicht fünf Jahre, wie dies von den Banken und einem Teil der banknahen Lehre mit konstanter Hartnäckigkeit vertreten wurde.
Beginn der Verjährungsfrist
Das Urteil könnte die betroffenen Vermögensverwalter und Anlageberater, insbesondere die Banken, insgesamt mehrere Millionen kosten. Das Urteil ist für sie aber Fluch und Segen zugleich. Das Bundesgericht hat sich nämlich nicht nur zur Verjährungsfrist an sich, sondern auch zur ebenfalls bis anhin umstrittenen Frage geäussert, wann die betreffende Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Die Verjährung beginnt für jede einzelne Retrozession an dem Tag zu laufen, an dem sie der Beauftragte erhalten hat und nicht erst bei der Beendigung des Auftragsverhältnisses, wie dies von einem Teil der Lehre und Rechtsprechung bis anhin statuiert wurde.
Beide Rechtsfragen waren bis anhin höchstrichterlich nicht entschieden worden. Da viel Geld auf dem Spiel stand, hatten Banken und Vermögensverwalter über rund 10 Jahre erfolgreich (oft mittels Vergleichen) verhindert, dass sich die Bundesrichter zu diesen Fragen äussern konnten.
Verzicht auf Herausgabe?
Das Urteil ist auch deshalb von erheblicher finanzieller Auswirkung, weil die meisten Banken und Vermögensverwalter frühestens ab 2008/2009 damit begannen (wenn überhaupt), rechtsgültige Verzichtsklauseln in ihren Vertragswerken aufzunehmen. Das bedeutet, dass wenn im Rahmen eines Vermögensverwaltungs- oder grundsätzlich auch Anlageberatungsverhältnisses dem Beauftragten irgendwelche Vergütungen zugeflossen sind, diese zumindest für die Jahre 2006 bis 2008/2009 in den meisten Fällen herausgegeben werden müssen. Ob auch die übrigen einbehaltenen Retrozessionen herauszugeben sind, beurteilt sich danach, ob der Kunde rechtsgültig auf seinen entsprechenden Herausgabeanspruch verzichtet hat (vgl. auch den Artikel auf insidelaw vom 5. September 2016).
Auskunftsbegehren
Da die Verjährungsfrist ungehindert läuft, lohnt es sich, möglichst umgehend allfällige Ansprüche abzuklären. Das lässt sich grundsätzlich einfach bewerkstelligen: Die Bank oder der Vermögensverwalter ist gemäss Art. 8 DSG sowie Art. 400 OR jederzeit verpflichtet, seine Kunden über sämtliche einbehaltenen Vergütungen zu informieren. Bei entsprechenden Auskunftsbegehren stellen einem die angeschriebenen Banken und Vermögensverwalter in der Regel innert 30 Tagen eine Abrechnung zu, aus der für jedes Jahr gesondert sämtliche einbehaltenen Vergütungen ersichtlich sind. Anschliessend lässt sich die Forderung gegenüber der Bank oder dem Vermögensverwalter ohne Weiteres beziffern und wenn nötig auf dem Rechtsweg durchsetzen.
Rechtsgebiete: Allgemeines Vertragsrecht, Bank- und Finanzmarktrecht, Datenschutz