Das Bundesgericht bestätigt seine harte Linie betreffend Insolvenzerklärungen (SchKG 191 I)
In einem kürzlich veröffentlichten, zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehenen Urteil vom 25. Oktober 2018 (Geschäfts-Nr.: 5A_435/2018) hatte das Bundesgericht eine Insolvenzerklärung gemäss Art. 191 Abs. 1 SchKG zu beurteilen.
Art. 191 Abs. 1 SchKG lautet: “Der Schuldner kann die Konkurseröffnung selber beantragen, indem er sich beim Gericht zahlungsunfähig erklärt.”
Ganz stark komprimiert, ging es im betreffenden Fall um einen Rentner, dessen Rente teilweise gepfändet wurde, um ratenweise einen Bankkredit zu tilgen. Dieser Rentner hatte eine auf die vorstehend zitierte Bestimmung gestützte Insolvenzerklärung mit dem Ziel abgegeben, die erwähnte Einkommenspfändung zu beseitigen, um nicht mehr auf dem Niveau des betreibungsrechtlichen Existenzminimums leben zu müssen.
Das kantonale Konkursgericht hatte den oben erwähnten Antrag auf Konkurseröffnung abgewiesen, was sowohl von der kantonalen Rechtsmittelinstanz als auch vom Bundesgericht bestätigt wurde.
In seinem neuen Urteil 5A_435/2018 ruft das Bundesgericht in Erinnerung, dass das Recht auf Abgabe einer Insolvenzerklärung gemäss Art. 191 Abs. 1 SchKG unter dem allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbot gemäss Art. 2 Abs. 2 ZGB steht (Urteil, Erwägung 2.1). Einen solchen Fall rechtsmissbräuchlichen Verhaltens erkennt das Bundesgericht darin, wenn eine Insolvenzerklärung mit dem einzigen Ziel erfolgt, die im Interesse eines einzigen Gläubigers vorgenommene Einkommenspfändung zu beseitigen (Urteil, E. 2.2). In den Worten des Bundesgerichts (a.a.O.):
“Quoi qu’en dise le recourant, l’autorité précédente n’a nullement qualifié sa requête d’abusive pour l’unique motif ‘qu’il n’y a qu’un seul créancier’, mais bien en raison du but poursuivi en l’espèce […]. Si la démarche du débiteur n’est, certes, pas abusive du simple fait qu’elle est dictée par un mobile égoïste, tel est, en revanche, le cas lorsqu’elle procède de l’unique but de faire tomber une saisie exécutée au profit d’un seul créancier […].”
Diese harte Linie bezüglich Insolvenzerklärungen, die vom Bundesgericht mit seinem neuen Leitentscheid bestätigt wird, geht auf eine sehr alte Rechtsprechung des Bundesgerichts zurück. Bereits im Jahre 1926 entschied das Bundesgericht (Urteil, E. 2.2):
“Dans un arrêt plus ancien, le Tribunal fédéral a même affirmé que la déclaration d’insolvabilité que le débiteur présente ‘pour échapper à la saisie de son salaire’ constitue une ‘manoeuvre faite in fraudum creditorum’ (arrêt du 11 septembre 1926, in: SJ 1926 p. 513, spéc. 518 consid. III).”
In seinem neuen Urteil 5A_435/2018 hebt das Bundesgericht hervor, dass dem Institut der Insolvenzerklärung gemäss Art. 191 Abs. 1 SchKG der Gedanke zugrunde liegt, dass dem Schuldner, von einer Einkommenspfändung befreit, wirtschaftlich ein neuer Start ermöglicht werden soll. Bei einem Rentner sei diese Voraussetzung nicht erfüllt. In den Worten des Bundesgerichts (Urteil, E. 2.2 in fine):
“Enfin, même si elle ne peut être assimilée à un ‘fresh start’ […], la procédure instituée à l’art. 191 LP suppose que le débiteur ait l’intention de prendre un ‘nouveau départ’ sur le plan économique […]. Or, selon les constatations souveraines de la cour cantonale […], tel n’est clairement pas le but poursuivi par le recourant – à la retraite, de surcroît, depuis plusieurs années -, qui entend récupérer la totalité de sa rente afin de pouvoir mener une existence ‘un peu moins dure qu’au minimum vital de saisie’. Sous cet angle, le rejet de la requête ne souffre pas de critique […]. En confirmant le rejet de la déclaration d’insolvabilité du recourant, les magistrats précédents n’ont donc pas enfreint le droit fédéral.”
Abschliessend ist darauf hinzuweisen, dass diese – aus Gläubigersicht zu begrüssende – Rechtsprechung des Bundesgerichts aufgrund einer allfälligen Gesetzesrevision eine Änderung erfahren könnte. So erkannte der Bundesrat in einem Bericht vom 9. März 2018 mit Blick auf hochverschuldete und mittellose Privatpersonen, die keine realistischen Aussichten darauf hätten, jemals wieder schuldenfrei zu leben, gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Ob, wann und/oder in welcher Form die einschlägige Rechtslage durch den Schweizer Gesetzgeber wirklich geändert wird, bleibt jedoch abzuwarten, namentlich wegen der schwierigen Abwägung divergierender Interessen, die in diesem Kontext vorzunehmen sein wird.
PHH, Zürich, den 26. November 2018 (www.haberbeck.ch)
Rechtsgebiete: Schuldbetreibungs- und Konkursrecht