Interessantes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Einziehung nach Art. 35 FINMAG
Am 11. Dezember 2019 fällte das Bundesverwaltungsgericht ein interessantes Urteil bezüglich des aufsichtsrechtlichen Sanktionsinstruments der Einziehung nach Art. 35 FINMAG (Urteil B-1034/2017).
Im obigen Urteil erwog das Bundesverwaltungsgericht insbesondere, dass die Gewinneinziehung nach Art. 35 FINMAG gegenüber der Entschädigung von Geschädigten – analog zur Rechtslage bei strafrechtlichen Einziehungen – nur subsidiär zur Anwendung kommt (Urteil B-1034/2017, E. 5.4):
“[…] auch bei der Einziehung nach Art. 35 FINMAG [gilt] der Grundsatz […], dass eine allfällige Rückerstattung an den Geschädigten der Einziehung vorgeht. Die in der Rechtsprechung zur strafrechtlichen Einziehung entwickelten Grundsätze zu dieser Subsidiarität der Einziehung gegenüber einer allfälligen Rückerstattung an den Verletzten sind daher in analoger Weise auch auf das Verhältnis zwischen der Einziehung durch die [FINMA] und allfälligen Zahlungen des beaufsichtigten Instituts an den Geschädigten anzuwenden […]. Der unrechtmässig erzielte Vorteil ist nicht zweimal herauszugeben; wurde der in schwerer Verletzung von Aufsichtsrecht erzielte Gewinn durch eine Schadenersatzzahlung an den dadurch Geschädigten reduziert, so hat in diesem Umfang keine nochmalige Abschöpfung durch Einziehung zu erfolgen.”
Dem Urteil B-1034/2017 vom 11. Dezember 2019 lag – für die Zwecke dieses Beitrags stark vereinfacht – folgender Sachverhalt zugrunde:
Die beschwerdeführende Bank hatte für eine Kundin (juristische Person) diverse Devisentransaktionen zu jeweils ungünstigen Wechselkursen durchgeführt, wodurch die Bank dank dieser Transaktionen zulasten ihrer Kundin stark überhöhte Margen erzielte. Dies war möglich, weil die Bank dem Finanzchef der Kundin, welcher die Devisentransaktionen für die Kundin absegnete, im Zusammenhang mit den erwähnten Transaktionen jeweils hohe Vermittlungsgebühren bezahlte.
Im Rahmen eines gegen die beschwerdeführende Bank geführten Enforcementverfahrens verfügte die FINMA die Einziehung des Gewinns, den die Bank aufgrund der oben erwähnten Devisentransaktionen erzielt hatte.
Die sanktionierte Bank wehrte sich gegen die Einziehungsverfügung mit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Sinngemäss verlangte die Bank, bezüglich der von der FINMA verfügten Gewinneinziehung sei eine allfällige Schadenersatzzahlung an die geschädigte Kundin zu berücksichtigen. Dies lehnte die FINMA ab, die sich u.a. auf den Standpunkt stellte (sinngemäss), hinsichtlich einer Einziehungsverfügung gemäss Art. 35 FINMAG seien allein die Umstände im Verfügungszeitpunkt massgebend, keine späteren Entwicklungen (E. 5, S. 14: “Der Zweck der Gewinneinziehung würde vereitelt, wenn im Nachgang zu seiner Festsetzung im Prinzip laufend neue Kosten über Wiedererwägungsbegehren zum Abzug gebracht werden könnten.“).
Das einschlägige Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zog sich hin, insbesondere wegen einer Verfahrenssistierung. Während des sistierten Verfahrens entschädigte die beschwerdeführende Bank die betroffene Kundin für den von ihr aufgrund der oben beschriebenen Devisentransaktionen erlittenen Vermögensschaden. Die FINMA weigerte sich trotzdem, auf ihre früher verfügte Gewinneinziehung zu verzichten, u.a. mit Verweis auf ihr oben erwähntes Argument.
Ob die FINMA mit Blick auf eine Gewinneinziehung nach Art. 35 FINMAG exklusiv auf den Zeitpunkt ihrer Einziehungsverfügung abstellen darf oder ob sie spätere Schadenersatzzahlungen an Geschädigte im Rahmen einer Wiedererwägung ihrer Einziehungsverfügung berücksichtigen muss, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem hier diskutierten Urteil zwar nicht explizit diskutiert, aber implizit beantwortet: Nach Erlass einer (noch nicht rechtskräftigen) Einziehungsverfügung erfolgte Schadenersatzzahlungen an einen Geschädigten sind von der FINMA zu berücksichtigen (Urteil B-1034/2017, E. 5.5.4 – 5.7):
“Relevant für den vorliegenden Fall ist einzig, dass der Gewinn, den die Vorinstanz einziehen will, unbestrittenermassen ausschliesslich aus der [einschlägigen] Kundenbeziehung […] stammt, und dass dieser Gewinn, soweit er rechtswidrig erzielt worden ist, mit einem entsprechenden Vermögensschaden dieser Kund[in] korreliert. Da dies vorliegend der Fall ist, vermindern allfällige Zahlungen der [beschwerdeführenden Bank] an die betreffend[e] Kund[in], die zum Ausgleich dieses Vermögensschadens erfolgt sind, den für die Einziehung massgebenden Gewinn. Im Umfang dieser Zahlungen hat daher keine nochmalige Abschöpfung durch Einziehung zu erfolgen. Gestützt auf das ‚Settlement Agreement’ bezahlte die [beschwerdeführende Bank] […] der [geschädigten Kundin] eine Vergleichssumme von Fr. 5’228’334.76. Die Zahlung ist belegt und wird von der [FINMA] nicht bestritten. Diese Summe ist höher als der von der [FINMA] errechnete Gewinn von Fr. 5’043’964.85. Damit verbleibt kein Gewinn mehr, den die [FINMA] einziehen könnte.”
Dass hinsichtlich einer auf Art. 35 FINMAG gestützten Gewinneinziehung an Geschädigte geleistete Entschädigungszahlungen zu berücksichtigen sind, ist aufgrund von Art. 35 Abs. 6 FINMAG naheliegend (vgl. auch E. 5.4, S. 15). Dieser Absatz legt fest, dass eingezogene Vermögenswerte an die Eidgenossenschaft gehen, “soweit sie nicht Geschädigten ausbezahlt werden“. Dass sich die FINMA vor diesem Hintergrund dennoch dagegen gewehrt hat, ihre noch nicht rechtskräftige Einziehungsverfügung aufgrund der einschlägigen nachträglichen Schadenersatzzahlung in Wiedererwägung zu ziehen, überrascht und ist nach hier vertretener Auffassung zu Recht vom Bundesverwaltungsgericht abgelehnt worden.
PHH, Zürich, den 7. Januar 2020 (www.haberbeck.ch)
Rechtsgebiete: Bank- und Finanzmarktrecht