Internationale Rechtshilfe in Zivilsachen: neues Leiturteil des Bundesgerichts

Internationale Rechtshilfe in Zivilsachen: neues Leiturteil des Bundesgerichts

Kürzlich hat das Schweizer Bundesgericht einen neuen, zur amtlichen Publikation vorgesehenen Leitentscheid gefällt, der sich mit der internationalen Rechtshilfe in Zivilsachen beschäftigt (Urteil 5A_362/2018 vom 2. Juli 2019).

Stark komprimiert lag diesem neuen Präjudiz folgender Streitfall zugrunde: In einem in Lettland geführten Scheidungsverfahren hatte die Ehefrau den Beweisantrag gestellt, es seien vom lettischen Gericht bezüglich der Geschäftsbeziehung ihres Ehemannes zu einer Schweizer Bank rechtshilfeweise gewisse Informationen einzuholen. Gestützt auf das Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 18. März 1970 stellte das lettische Gericht als ersuchende Behörde ein Rechtshilfebegehren an die zuständige schweizerische Gerichtsbehörde, die dem Begehren zu entsprechen gedachte. Von seiner Bank über den das Rechtshilfebegehren bejahenden (noch nicht rechtskräftigen) Entscheid des schweizerischen Gerichts informiert, focht der Ehemann diesen Entscheid mit Beschwerde an, in letzter Instanz vor dem Bundesgericht.

Das hier präsentierte Urteil 5A_362/2018 enthält zwei Erwägungen des Bundesgerichts, die von allgemeinem Interesse sind und deshalb kurz zusammengefasst werden sollen:

(1) Der Ehemann hatte im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgericht sinngemäss geltend gemacht, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, weil er sich vor Bewilligung des Rechtshilfegesuchs aus Lettland durch die Schweizer Gerichtsbehörden vor diesen Behörden nicht habe äussern dürfen. Dieser Rechtsstandpunkt wird vom Bundesgericht zurückgewiesen, sinngemäss mit der Begründung, es liege in der Natur von Rechtshilfebegehren, dass diese rasch zu behandeln seien, und von daher sei nicht verlangt, hinsichtlich der Beurteilung des Rechtshilfebegehrens vor der ersuchten schweizerischen Gerichtsbehörde ein kontradiktorisches Verfahren durchzuführen, sondern es sei ausreichend, wenn der von einem Rechtshilfegesuch Betroffene seinen Standpunkt nach dem Entscheid des ersuchten Gerichts einbringen kann, bevor die Rechtshilfe von diesem Gericht effektiv geleistet wird. In den Worten des Bundesgerichts (E. 4.2):

En définitive, pour garantir l’efficacité de la procédure d’entraide judiciaire, tout en respectant le droit d’être entendu des personnes intéressées, il suffit que celles-ci disposent d’une voie de recours, avant le renvoi de la commission rogatoire, dans laquelle elles pourront faire valoir leurs arguments; une telle possibilité existe en l’espèce: le recours au sens des art. 319 ss CPC […], que les parties au procès sur le fond à l’étranger sont légitimées à interjeter […]. En l’occurrence, le recourant, même s’il a été informé de l’ordonnance du premier juge par la banque […], a précisément emprunté cette voie de droit et obtenu la suspension du caractère exécutoire de cette décision (art. 325 al. 2 CPC), à l’effet de bloquer le renvoi des documents requis par le juge letton.

(2) Der sich gegen die Rechtshilfe wehrende Ehemann hatte vor der kantonalen Beschwerdeinstanz sinngemäss geltend gemacht, seine Ehefrau habe ihr Scheidungsgesuch zurückgezogen, worauf das Scheidungsverfahren vor dem ersuchenden lettischen Gericht eingestellt worden sei. Die kantonale Beschwerdeinstanz folgte diesem Argument nicht, mit dem Hinweis darauf, es handle sich bei diesen Vorbringen des Ehemannes um im Beschwerdeverfahren unzulässige Noven. Dem widerspricht das Bundesgericht im hier diskutierten Urteil, primär auf der Grundlage seiner Erwägung, dass der Ehemann (Beschwerdeführer) seinen Standpunkt wie oben erwähnt nicht in einem erstinstanzlichen kontradiktorischen Verfahren einbringen konnte, sondern ihm rechtliches Gehör erst im Beschwerdeverfahren gewährt wurde. In den Worten des Bundesgerichts (E. 5.2):

Ainsi, le débiteur qui n’a pas été entendu en première instance dans la procédure d’exequatur d’un jugement soumis à la Convention de Lugano peut se prévaloir de nova à l’appui de son recours […]; la jurisprudence zurichoise a appliqué la même règle en faveur du débiteur, non cité en première instance, qui s’oppose à la reconnaissance de sa faillite prononcée à l’étranger […]. Cette solution repose sur la considération que l’intéressé qui n’a (valablement) pas été entendu devant le premier juge est admis à invoquer des nova, à tout le moins ceux qui existaient déjà en première instance (pseudo-nova). On ne saurait donc suivre l’autorité cantonale lorsqu’elle ne retient à l’appui de sa décision que les ‘éléments de fait dont disposait le Tribunal‘.

Das in diesem Beitrag kurz zusammengefasste Präjudiz stellt willkommene Rechtsfortbildung im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Zivilsachen dar, in dem sich in der Praxis regelmässig nicht einfach zu beantwortende Fragen stellen.

Philipp H. Haberbeck, Zürich; erstmals veröffentlicht auf LinkedIn am 23. Juli 2019 (www.haberbeck.ch)

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