Obergericht Zürich: Urteil betreffend Negativzinsen

Obergericht Zürich: Urteil betreffend Negativzinsen

Am 22. August 2019 fällte das Obergericht des Kantons Zürich (Obergericht Zürich) ein interessantes Urteil betreffend Negativzinsen (Geschäfts-Nr.: PP190013-O/U). Dieses Urteil wird auch in einem aktuellen Zeitungsartikel, verfasst von Bernhard Kislig, auf Tagesanzeiger-Online besprochen.

Stark komprimiert, ging es im einschlägigen Streitfall um eine vorzeitig gekündigte Festhypothek bzw. um die Höhe der in diesem Zusammenhang vom Bankkunden / Kreditnehmer geschuldeten Vorfälligkeitsentschädigung.

Banken behalten sich in ihren Kreditbedingungen vor, dass sie für ihren Zinsverlust zu entschädigen sind, wenn eine Festhypothek mit fester Laufzeit vorzeitig gekündigt wird und der sogenannte Wiederanlagesatz für den betreffenden Zeitraum unter dem einschlägigen Kreditzins liegt. Mit anderen Worten entschädigt die Vorfälligkeitsentschädigung die Bank in Höhe von – im Sinne eines willkürlichen Beispiels zu Illustrationszwecken – 0.8% pro Jahr, wenn die Parteien unter dem fraglichen Kreditvertrag einen Zinssatz von 1.5% pro Jahr vereinbart hatten, die Bank die Kreditsumme nach vorzeitiger Vertragskündigung im Markt aber nur zu einem Zinssatz von 0.7% pro Jahr anlegen kann.

Dem hier diskutierten Urteil vom 22. August 2019 lag nun die vom Bankkunden angefochtene Situation zugrunde, dass die Bank als Wiederanlagesatz den seit einiger Zeit negativen LIBOR verwendet hat. Konkret hatte das Abstellen der Bank auf diesen Wiederanlagesatz bei der Festsetzung der Vorfälligkeitsentschädigung zur Folge, dass zusätzlich zum für die Restlaufzeit der Hypothek vereinbarten vertraglichen Zins (von 1.680% bzw. Fr. 6’522.10) der negative LIBOR-Zins von 0.509% bzw. Fr. 1’999.20 hinzukam. Zwischen den Parteien war umstritten, ob die Bank zur Einsetzung eines Negativzinssatzes als Wiederanlagesatz berechtigt war.

Entschieden wurde die relevante Streitfrage im Kern durch die Auslegung folgender Kreditvertragsklauseln:

11. Vorzeitige Produktauflösung 

Kreditprodukte mit einer festen Laufzeit können nicht aufgelöst werden. Die Bank kann ausnahmsweise auf ein entsprechendes Gesuch des Kreditnehmers hin eine vorzeitige Auflösung bewilligen. In diesem Fall ist eine von der Bank bestimmte Vorfälligkeitsentschädigung zu entrichten. 

Die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet sich nach der Differenz zwischen dem vereinbarten Kreditzinssatz und dem bei Beendigung des Vertrages erzielbaren Zinssatz für eine Anlage am Geld- oder Kapitalmarkt mit der entsprechenden Restlaufzeit. Eine Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung kann bei der Bank nachgefragt werden. […]”

Das Obergericht Zürich schützte im Ergebnis die von der Vorinstanz dahingehend vorgenommene Auslegung der vorstehend wiedergegebenen Vertragsklauseln, dass die Bankkundin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (November 2011) im Lichte des Wortlautes der einschlägigen Vertragsklausel nach Treu und Glauben nicht damit rechnen musste, dass der für die Bank am Geld- oder Kapitalmarkt “erzielbare” Zinssatz negativ sein könnte.

Im Lichte der vorliegenden Umstände, namentlich des Wortlautes der einschlägigen Vertragsklausel sowie des Zeitpunkts des Vertragsschlusses (November 2011), ist die Schlussfolgerung des Obergerichts Zürich nachvollziehbar. Dass der fragliche Auslegungsstreit vom Bundesgericht, das die Vertragsauslegung nach dem Vertrauensprinzip bekanntlich als Rechtsfrage frei prüft, anders entschieden werden könnte, scheint im Lichte des bundesgerichtlichen Urteils 4A_596/2018 unwahrscheinlich zu sein (vgl. zum erwähnten Bundesgerichtsurteil auch meinen LinkedIn-Artikel vom 29. Mai 2019).

PHH, Zürich, den 11. November 2019 (www.haberbeck.ch)

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