Soziale Medien – Mitbestimmung des Betriebsrats
- Einführung
Social Media Kanäle sind schon lange ein beliebtes tool für Arbeitgeber und eine der zentralen Formen für Außendarstellung, Werbung und Imagepflege. Bekannte Plattformen wir z.B. X, Instagram, LinkedIn sind damit aus dem betrieblichen Alltag nicht mehr wegzudenken.
Für skeptische Arbeitnehmervertreter sind diese Plattformen nicht selten Mittel zur Überwachung von Arbeitnehmern durch die Arbeitgeberseite oder Schauplätze für Rechtsverletzungen o.ä.. Nicht selten steht daher ein etwaiges Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG im Raum.
2. Ausgangslage
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG können Betriebsräte bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, mitbestimmen.
An den Begriff der technischen Einrichtung werden keine besonderen Anforderungen gestellt. Das bedeutet aber auch, dass jede Art von Software eine technische Einrichtung darstellt. Eine Überwachung von Arbeitnehmern liegt dann vor, wenn durch eine technische Einrichtung personenbezogene Daten verarbeitet werden, die Rückschlüsse auf ein Tun oder Unterlassen des Arbeitnehmers während der geschuldeten Arbeitszeit zulassen.
Ein entscheidendes Kriterium ist die Bestimmtheit zur Überwachung. Nach der Rechtsprechung ist lediglich erforderlich, dass die technische Einrichtung objektiv geeignet ist, das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern zu überwachen. Das hat zur Folge, dass die Einführung nahezu jedes IT tools mitbestimmungspflichtig ist.
3. Korrektur des Mitbestimmungsrechts
a) Social Media Entscheidungen
Den Anfang machte die sog. Facebook Entscheidung des BAG (BAG vom 13.12.2016 – 1 ABR 7/15, DB 2017, 1458). Nach dieser Entscheidung genügt das Erlauben von Postings über die Funktion „Besucher Beiträge“ für die Anwendung des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Die Besucherbeiträge könnten namentlich einem bestimmten Arbeitnehmer zugeordnet werden wodurch eine Verhaltens- und Leistungskontrolle von Arbeitnehmern ermöglicht werde.
Noch nicht höchstrichterlich geklärt ist die Frage einer mitbestimmungspflichtigen Nutzung von Twitter.
b) Kern des Problems
- 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterliegt einem Auslegungsproblem. Hier kommt es auf eine abstrakte Betrachtung an und eben nicht – wie wünschenswert – auf die Art und Weise der Nutzung der technischen Einrichtung durch die Arbeitgeberseite.
Das derzeitige Verständnis der Norm ist – leider – nicht praxisgerecht.
c) Mögliche Einschränkungen
Das Risiko einer uferlosen Ausweitung des Mitbestimmungstatbestands ist mittlerweile erkannt worden. Zunächst hat das BAG versucht, mit dem Unmittelbarkeitserfordernis zu argumentieren. Durch die mittlerweile vom BAG vertretene Auffassung, dass es genüge, wenn Informationen über Mitarbeitende durch die Nutzer einer Facebook Seite eingegeben und mittels einer Software dauerhaft gespeichert würden, ist das Unmittelbarkeitserfordernis quasi nutzlos geworden. Nicht viel besser ist es dem Argument einer Verhältnismäßigkeitsprüfung ergangen. Die Rechtsprechung des BAG hat das Mitbestimmungsrecht bislang jedenfalls nicht von einer solchen Prüfung abhängig gemacht.
Schaut man in die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dann findet man zumindest in der Entscheidung vom 4. Mai 2023 (NZA 2024, 74) quasi die Gegenauffassung zur bisherigen BAG Rechtsprechung. In dieser Entscheidung hat das BVerwG das Kriterium der Wahrscheinlichkeit einer Leistungs- und Verhaltenskontrolle durch ein IT System herangezogen und ein pauschales Mitbestimmungsrecht abgelehnt. Nach dem BVerwG muss ein tatsächlicher Überwachungsdruck hinzutreten und das Mitbestimmungsrecht hänge davon ab, ob das IT System nach den konkreten Umständen des Einzelfalles dazu geeignet sei, eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle der Beschäftigten durchzuführen.
4. Fazit
Das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist durch die BAG Rechtsprechung nahezu uferlos ausgestaltet. Wirksame Einschränkungen hat es durch die Rechtsprechung des BAG bislang nicht wirklich gegeben. Begrüßenswert ist, dass zumindest das BVerwG in neuester Rechtsprechung feststellt, dass es für die Anwendung des Mitbestimmungsrechts darauf ankomme, ob eine hinreichende Gefahr einer späteren Auswertung aufgrund der Umstände des Einzelfalles begründet ist. Damit stellt das Gericht auch die richtige Frage nach der Nutzungswahrscheinlichkeit des Systems – eine zentrale Frage, die in der bisherigen BAG Rechtsprechung gar keine oder nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Rechtsprechung des BVerwG auch beim BAG durchsetzen wird oder nicht. Die größere Praxisnähe hat sich jedenfalls jetzt schon ganz eindeutig.
Rechtsgebiete: Arbeits- und Sozialversicherungsrecht