Verwendung eines privaten Handyfilms im Strafverfahren und Administrativmassnahme-Verfahren nach SVG

Verwendung eines privaten Handyfilms im Strafverfahren und Administrativmassnahme-Verfahren nach SVG

Ein Autofahrer wird von einem anderen Autofahrer bei einem unerlaubten Rechtsüberholmanöver auf der Autobahn mit einer Handykamera oder einer sog. Dashcam gefilmt? Darf das Video von den Strafbehörden verwertet werden? Was gilt im Administrativmassnahme-Verfahren?

Die Regeln über die Beweiserhebung und die Beweisverwertbarkeit finden sich in den Art. 139 ff. der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO). In Art. 141 Abs. 2 StPO ist festgehalten, dass Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, nicht verwertet werden dürfen, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich. Strittig ist die Frage, ob dieses Beweisverwertungsverbot auch greift, wenn nicht der Staat, sondern Private Beweismittel sammeln. Grundsätzlich muss zwischen rechtmässigen, rechtswidrigen und strafbaren Privatermittlungen unterschieden werden. In rechtswidriger und strafbarer Weise ermittelte Beweismittel können von den Strafbehörden nur verwertet werden, wenn die Behörden das Beweismittel selber rechtmässig hätten erlangen können oder wenn eine Interessenabwägung für die Verwertbarkeit spricht. Die Interessenabwägung erfolgt zwischen dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung und dem privaten Interesse des Täters an der Unverwertbarkeit des Beweismittels. Meines Erachtens muss bei der Interessenabwägung ebenfalls berücksichtigt werden, unter welchen Voraussetzungen – insbesondere unter welchen Gesetzesverstössen – das Beweismittel überhaupt durch die Privatperson erlangt werden konnte.

Gemäss den Erläuterungen zu Videoüberwachung in Fahrzeugen des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten (https://www.edoeb.admin.ch/datenschutz/00625/00729/01075/ index.html?lang=de) verstossen Aufnahmen mit Dashcams gegen die allgemeinen Bearbeitungsgrundsätze des Datenschutzgesetzes, sofern auf den Bildern Personen oder Fahrzeugkennzeichen erkennbar sind. Solche Aufnahmen wären folglich rechtswidrig. Ob dies auch für Handykameraaufnahmen gilt, ist nicht klar, da mit Handykameras im Normalfall und im Gegensatz zur Dashcam nur zeitlich eingeschränkte Aufnahmen getätigt werden. Wer jedoch während des Fahrens mit der Handykamera andere Autofahrer filmt, dürfte sich zumindest des Tatbestands des Nichtbeherrschens des Fahrzeugs im Sinne von Art. 31 Abs. 1 des Schweizerischen Strassenverkehrsgesetzes (SVG) schuldig machen.

Geht man davon aus, dass Handykamera- und Dashcamaufnahmen rechtswidrig oder in strafbarer Weise erlangt worden sind, stellt sich die Frage der Verwertbarkeit dieser Beweismittel. Das Kriterium, dass der Beweis hypothetisch auch vom Staat (also von der Polizei oder von der Staatsanwaltschaft) hätte erhoben werden können, funktioniert im Strassenverkehr nur, wenn man das Wissen der Behörden um den Tatverdacht der sich innert Sekunden ereignenden Tat fingiert, was das Bundesgericht tatsächlich so zu verstehen scheint [Arnold F. Rusch, Little Red Corvette, Big Black Box, AJP 2016, S. 404 mit Verweis auf Urteil BGer 6B_786/2015, E. 1.3.1]. Ob die Interessenabwägung die Verwertbarkeit zulässt, muss von Fall zu Fall beurteilt werden. Je schlimmer die Verkehrsregelverletzung ist, desto eher darf die Aufnahme wohl verwertet werden. Allerdings kann man auch die gegenteilige Auffassung vertreten, wonach die rechtsstaatlichen Beweiserhebungsregeln gerade genauer beachtet werden müssen, wenn der Tatvorwurf schwer wiegt.

Gelten diese Grundsätze auch im Administrativmassnahme-Verfahren nach SVG, das im Normalfall im Anschluss an das Strafverfahren durchgeführt wird? Das Bundesgericht stellt darauf ab, ob das fragliche Beweismittel im vorangehenden Strafverfahren verwertet werden durfte oder nicht. Es gelten grundsätzlich dieselben Regeln (Art. 139 ff. StPO). Anders behandelt werden jedoch Verfahren mit einer Fahreignungsuntersuchung (Sicherungsentzüge nach Art. 16d Abs. 1 und 3 lit. a SVG). Die Verwertung eines rechtswidrig erlangten Beweismittels lässt sich in diesen Verfahren rechtfertigen, sofern das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit das private Interesse des Autofahrers überwiegt (vgl. BGE 139 II 95).

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