Änderungen im Arbeitsrecht – was kommt, was nicht?
Änderungen im Arbeitsrecht – was kommt, was nicht?
- Einführung
Koalitionsverträge sind Vereinbarungen von Koalitionsparteien über die Themen, die während einer Legislaturperiode „behandelt“ werden sollen – idealerweise werden sie auch gut gelöst.
Wenn eine Koalitionsvertrag den Titel „Verantwortung für Deutschland“ trägt darf man viel erwarten. Leider sind auch im aktuellen Koalitionsvertrag die meisten arbeitsrechtlichen Zielvorhaben unscharf formuliert. Welche das sind, dazu gibt der nachfolgende Beitrag einen ersten Überblick.
2. Was hat die neue Bundesregierung im Arbeitsrecht vor?
Hier sind zunächst beispielhaft (nicht abschließend) folgende Themen zu nennen:
- Arbeitszeit (z.B. Höchstarbeitszeiten wöchentlich u.a.)
- Betriebsverfassungsrecht (z.B. Online Betriebsratswahlen)
- Einsatz von Künstlicher Intelligenz
- Abbau Schriftformerfordernis
- AGG Reform
uvm.
Arbeitszeit
Das Thema Arbeitszeit ist ein „Dauerbrenner“. Es war bereits bei den Vorgängerregierungen ein zentrales arbeitsrechtliches Thema. Ein wesentlicher Treiber dürften Entscheidungen des EuGH und BAG zur Verpflichtung einer umfassenden gesetzlichen Regelung zwecks umfassender Erfassung von Arbeitszeiten sein. § 3 ArbZG normiert keine wöchentliche Höchstarbeitszeit, sondern eine werktägliche. Der Gesetzgeber legt eine Sechs Tage Woche zugrunde. Die werktägliche Arbeitszeit darf grundsätzlich auf höchstens zehn Stunden verlängert werden. Eine darüber hinausgehende Beschäftigung ist nur in einigen gesetzlich geregelten Fällen zulässig. Die Verlängerung auf zehn Stunden ist nur zulässig, wenn innerhalb eines Ausgleichszeitraumes (6 Kalendermonate oder 24 Wochen) im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Die danach mögliche Überschreitung der höchstzulässigen Arbeitszeit ist aufzuzeichnen. Die EU-Arbeitszeit-RL sieht eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden im Sieben Tages Zeitraum vor, jedoch keine tägliche Höchstarbeitszeit. Unterstellt die tägliche Ruhezeit von 11 Stunden soll beibehalten werden, so scheint es zumindest nach dem Koalitionsvertrag zu sein, werden hierdurch der wöchentlichen Höchstarbeitszeit Grenzen gesetzt. Es bleibt also abzuwarten, ob und inwieweit sich dieses Dilemma lösen lässt.
Betriebsverfassungsrecht
Das Betriebsverfassungsrecht bedarf schon seit Längerem einer Modernisierung.
Lt. Koalitionsvertrag soll die Mitbestimmung angesichts der Digitalisierung und der KI weiterentwickelt werden. Unklar ist, worin diese Weiterentwicklung bestehen soll. Änderungen am Betriebsverfassungsgesetz (zuletzt durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz) zeigten bislang wenig Verständnis für die unternehmerische Praxis. Idealerweise sollte die Modernisierung der Betriebsverfassung ein Motor für Flexibilisierung der Arbeitswelt sein und keine Bremse. Die Rechtsprechung der Bundesarbeitsgerichts zu § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist hierbei besonders zu nennen. Danach ist ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen bereits dann anzunehmen, wenn die technische Einrichtung für die Überwachung geeignet ist. In Zeiten von Digitalisierung und KI stellt eine solche Rechtsprechung – leider – eher eine Bremse als einen Motor dar, denn praktisch jedes IT tool fällt unter diese Rechtsprechung.
Besonders interessant dürfte das Thema der Online Betriebsratswahlen werden. Im kommenden Jahr stehen bekanntlich wieder Betriebsratswahlen an. Bislang gab es eine solche moderne Möglichkeit an einer demokratischen innerbetrieblichen Wahl teilzunehmen nicht. Hier ist nun der Gesetzgeber gefordert das Betriebsverfassungsgesetz an die digitale Arbeitswelt anzupassen. Im Koalitionsvertrag steht hierzu u.a.: Zusätzlich soll die Option, online zu wählen, im Betriebsverfassungsgesetz verankert werden.
Einsatz von Künstlicher Intelligenz
Künstliche Intelligenz ist aus der modernen Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Der Koalitionsvertrag enthält hierzu folgendes: Der Einsatz von KI im Unternehmen erfordert sowohl die Qualifizierung der Beschäftigten als auch die faire Regelung des Umgangs mit den Daten im Betrieb. Weitere Details nennt der Koalitionsvertrag dazu leider nicht. Es bleibt daher offen, wie die Beschäftigten konkret fortgebildet werden sollen und wie die Koalition zum Thema KI generell steht bzw. was sie konkret umsetzen möchte.
Abbau Schriftformerfordernis
Der Koalitionsvertrag enthält hierzu ausnahmsweise eine klare und eindeutige Aussage: Den Abbau von Schriftformerfordernissen, insbes. im Arbeitsrecht (z.B. bei Befristungen), werden wir umsetzen.
So deutlich geschrieben könnte es sein, dass dieses Vorhaben sich nicht nur auf Befristungen, sondern auch auf andere arbeitsrechtliche Schriftformerfordernisse ausgeweitet werden soll. Ob es dazu kommen wird, bleibt abzuwarten.
AGG-Reform
Der Koalitionsvertrag enthält auch hierzu einen klaren Hinweis: Benachteiligungen sind Gift für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Deshalb stärken und verbessern wir den Diskriminierungsschutz.
Das AGG hat das Ziel, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen ethnischer Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Diese Regelungen sind für viele Unternehmen bereits heute kaum einzuhalten. Hinzu kommt, dass die Beweislastverteilung reformbedürftig ist. Beweist eine Partei Indizien, die eine Benachteiligung vermuten lassen, trägt die andere Partei zu Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das AGG vorlag. Diese Beweislastverteilung macht es Unternehmen sehr schwierig, eine Stellenanzeige zu formulieren, die nicht gegen das AGG verstößt.
3. Fazit
Der Koalitionsvertrag enthält einige durchaus sinnvolle Reformansätze für das deutsche Arbeitsrecht. Ob und inwieweit diese in die Realität umgesetzt werden, muss man hingegen abwarten. Die Tendenz zu weniger Bürokratie, mehr Flexibilität und mehr Prozessgeschwindigkeit im Arbeitsrecht ist grundsätzlich richtig und wird in Zeiten von Fachkräftemangel und Künstlicher Intelligenz dringend benötigt. Jetzt müssen also die vorstehenden Ziele nur noch in die Tat umgesetzt werden. Hierbei dürfte es auch eine Rolle spielen, dass die aktuelle Koalition aus CDU/CSU und SPD nach den Jahren der Ampel-Regierung zum Erfolg buchstäblich verdammt ist. Ein weiter so wie bisher ist daher so gut wie ausgeschlossen.
Rechtsgebiete: Arbeits- und Sozialversicherungsrecht